Pictor Verus

„Malerei besitzt die Qualität unausweichlicher Unmittelbarkeit”. Dies ist die feste Überzeugung des Malers Thomas Jessen, der seinen Beruf im positivsten Sinne als Berufung versteht und ausübt. Er ist felsenfest davon überzeugt, dass die Malerei heute mehr denn je in der Lage ist, den Betrachter zu berühren, gegebenenfalls unmittelbar anzugreifen. Dies bewertet Jessen als ausgesprochene Qualität der Malerei, denn sie zieht sich somit nicht auf den Objektcharakter etwa der Fotografie zurück. Der Kampf der Malerei und Fotografie mit- bzw. gegeneinander ist Thema der Kunst des Thomas Jessen, der in seinen Werken nach Fotos malt, Gemaltes fotografiert, gemalte und fotografierte Sujets miteinander in einem Werk so kombiniert, dass der Betrachter schon sehr genau hinsehen sollte, um zu erkennen was welchen Ursprungs sein könnte. Ein Tipp hierzu: In den Arbeiten von Thomas Jessen tritt stets die Malerei als strahlende, farbstrotzende Siegern in den Vordergrund, da Malerei für den Künstlern das Leben verkörpert, während er die Fotografie als Metapher des Todes und der Vergänglichkeit deutet.

Mit seinem künstlerischen Werk und den Überlegungen hierzu greift er sehr aktuell in die Diskussion um die Kunst- und Medienrezeption der Gegenwart ein. Denn zweifelsfrei haben Fotografie, Fernsehen, Computer unsere Betrachter Gewohnheiten insofern stark verändert, als wir auf die von diesen Medien forcierte Diskrepanz  zwischen Unmittelbarkeit und Distanz ausgesprochen trainiert wurden. Thomas Jessen folgert hieraus, dass sich die Schwelle der Erträglichkeit für den Betrachter von Malerei dramatisch nach unten verändert hat: Was heißt, dass man Bildinhalte, die als analoges oder digitales Foto durchaus erträglich sein können, als realistisches oder hyperrealistisches Gemälde als nahezu unerträglich empfindet. Dies sieht Jessen jedoch zugleich als ungeheure Chance für die Malerei, was sich sicherlich auch an ihrer derzeitigen Hochschätzung im Kunstgeschehen manifestiert: Man betrachte u.a. die Erfolge Gerhard Richters und die der sog. Leipziger Schule um Neo Rauch.

Da Thomas Jessen in vielfältiger Weise ein Grenzgänger ist, lotet er nicht nur die malerischen und fotografischen Grenzen der Metaphern für Leben und Tod aus, sondern auch jene Grenzen der Erträglichkeit von Fotografie und Malerei.