You won’t fool the Children of the Revolution

Geissler & Sann | Exhibition Gallery Carol Johnssen

Beate Geissler und Oliver Sann zeigen Arbeiten aus der zweiteiligen, 2012 entstandenen Werkgruppe „You Won't Fool the Children of the Revolution”.

In der eigens für die Galerie Carol Johnssen entstandenen Assemblage setzen die Künstler, nach ihrer Recherche zu den globalen Finanzmärkten, die Auseinandersetzung mit einem durch Technologie erweiterten Begriff der Lebensform fort.
Die erstmals gezeigte Bodenarbeit spekuliert über eine Wirklichkeit, wie sie von Karin Knorr Cetina mit folgenden Worten beschrieben wurde:
„Die Bildschirmrealität ist ein Prozess, aber sie ist nicht einfach wie ein Fluss, der sich als identische Wassermasse von einem Ort zum anderen bewegt. Vielmehr ist der Prozess eine unendliche Abfolge nicht-identischer Dinge, die sich als wandelnde Situationen fortlaufend nach vorwärts projizieren.”

Weiteres Element der Ausstellung sind fotografische Repräsentationen von Chrysalis (Schmetterlingspuppen), mittels derer die Künstler die Analogie zu existierenden Modellen phänomenologischer Welterklärung zu überschreiten versuchen und ein prozessuales Verständnis von Dasein jenseits dichotomischer Synonyme unterbreiten.
Die Chrysalis, die ein morphologisch klar abgegrenztes, meist fast oder völlig bewegungsloses Übergangsstadium durchläuft, findet in der Kulturgeschichte ihre Entsprechung in dem von Thomas von Aquin im Mittelalter unternommenen Versuch eines kosmologischen Gottesbeweises, der Idee eines unbewegten Bewegers, einer Kraft, die in völligem Stillstand alle Bewegung auf der Welt verursacht und die ursprünglich als Notwendigkeit in der aristotelischen Philosophie erscheint.
Der völlige Stillstand als Epizentrum aller Bewegung, die komplette Auflösung unserer Existenz, ist ebenfalls Leitmotiv in Oswald Wieners wegweisendem Text „der bio-adapter”, von 1965, den die Künstler als Vorlage für ihre Arbeit heranziehen. Wiener schreibt im Appendix zur „Verbesserung von Mitteleuropa”: „in seiner wirkung kann der bio-adapter mit der eines äusserst hochgezüchteten, durch laufende anpassung auch den differenziertesten bedürfnissen höchstorganisierter lebewesen gewachsenen uterus' verglichen werden (»glücks-anzug«). er kann als die sich ins zunächst noch „ausserleibliche" erstreckende hypertrophie der organmoduln sowie der nervösen baukomplexe seines inhabers interpretiert werden, und ist in dieser betrachtungsweise ein konverter der vom menschen in dessen umgebung projizierten lustimpulse (»servo-narziss«).

Eine Publikation der Arbeiten mit einer Wiederveröffentlichung des Oswald Wiener Textes ist in Vorbereitung.
Geissler & Sann leben und arbeiten in Chicago, USA.