Steamy Windows

Thomas Jessen | Ausstellung  Galerie Carol Johnssen

Vernissage am Montag, 13. November 2017 von 19 bis 21 Uhr.
Der Künstler ist anwesend.

Der 1958 in Lübbecke/Westfalen geborene Thomas Jessen zählt längst zu den renommierten deutschen Malern. 1980–86 hat er an der Kunstakademie Düsseldorf studiert. Dort war er Schüler von Gerhard Richter und 1985 Meisterschüler von Alfonso Hüppie. Im selben Jahr hatte er ein Stipendium des Landes NRW an der Cité des Arts in Paris.

Thomas Jessen, für den die Malerei die Qualität unausweichlicher Unmittelbarkeit besitzt, ist ein ebenso begnadeter Porträtist wie auch wunderbarer Landschafts- und Blumenmaler.

Er versteht seinen Beruf im positivsten Sinne als Berufung und ist fest davon überzeugt, dass die Malerei heute mehr denn je in der Lage ist, den Betrachter zu berühren.

Der Kampf der Malerei mit der Fotografie und umgekehrt, ist Thema der Kunst von Thomas Jessen, der in seinen Werken nach Fotos malt, Gemaltes fotografiert, gemalte und fotografierte Sujets miteinander in einem Werk kombiniert. Der Betrachter muss schon sehr genau hinsehen, um zu erkennen, was welchen Ursprungs sein könnte. Meist jedoch geht die Malerei als farbstrotzende Siegerin aus dem Bild hervor, da sie für den Künstler das Leben verkörpert, während er die Fotografie als Metapher der Vergänglichkeit deutet.
 
 
Thomas Jessen, born 1958 in Luebbecke/Westfalen, belongs to the German artist establishment. 1980-86 he studied at Duesseldorf Art Academy, a student of Gerhard Richter and 1985 master student of Alfonso Hueppie. The same year he received a stipend from the country NRW to visit the Cite des Arts in Paris.

Thomas Jessen’s giftedness in portrait as well as landscape and floral motives aligns with his perception of painting as an inevitable immediacy. He sees his occupation as a vocation in its most positive sense and is convinced that nowadays more than ever painting enables to touch the spectator.

The struggle between painting and photography is a theme of Thomas Jessen who paints after photography, takes pictures of paintings, and combines painted and photographed subjects in one work. The spectator has to look precisely to make out the origin of each subject. In most cases the painting dominates as colorful incarnation as opposed to photography being a metaphor of vainity.
 


Presse
 

BILDENDE KUNST STREIFZUG

 

SEITE 28 · DEZEMBER · MÜNCHNER FEUILLETON

 

ERIKA WÄCKER-BABNIK

 

Rund siebzig Galerien gibt es in München. Zusätzlich ermöglichen zahlreiche Institutionen die Begegnungen mit zeitgenössischer Kunst. Eine aktuelle Auswahl bei freiem Eintritt.

 

THOMAS JESSEN Steamy Windows

 

Galerie Carol Johnssen | Königinstr. 27 bis 19. Februar | Di bis Fr 13–18, Sa n. V.

 

Das Videoporträt auf seiner Website führt in die künstlerische Welt des Thomas Jessen besser ein als jeder Text. Im mystischen Licht des Morgengrauens fährt die Kamera durch dichtes Gestrüpp und schattenhafte Waldwege zum Atelier des Künstlers, geleitet diesen schemenhaft durch das Halbdunkel der Räume, vorbei an Gemälden mit üppigen Pflanzen und Familienporträts, schwenkt auf Fotografien von Kircheninnenräumen, alles immer wieder überblendet und verdichtet mit Blicken durch die bleiverglasten Atelierfenster, Schwenks auf die werkelnden Künstlerhände, Detailaufnahmen. Es fallen nur wenige Worte, dafür untermalen sphärische Klänge die spannungsgeladene visuelle Dramaturgie, als wäre es das Intro zu einem Psychothriller. Sieben Minuten, die auf sinnlich-emotionale Weise in die Verfasstheit eines Malers einführen und die Essenz seines Werks atmosphärisch spiegeln. Thomas Jessen (*1958 in Lübbecke/Westfalen) zählt zu den ganz Großen. Er hat 1980 bis 1986 an der Kunstakademie in Düsseldorf bei Gerhard Richter und als Meisterschüler von Alfonso Hüppi studiert. Seine Werke befinden sich in etlichen Sammlungen, er hat sich einen Namen mit Auftragsarbeiten für Kirchen gemacht, und er ist in München bekannt geworden mit seiner umfassenden Porträtreihe von Erzbischöfen und kirchlichen Würdenträgern für das Erzbischöfliche Palais, die auch Papst Benedikt XVI. und Kardinal Reinhard Marx zeigen. Wie sein Videoporträt zeichnet sich auch Jessens malerisches Werk durch ein hohes Maß an Dramatik, mystischer Gestimmtheit und Unmittelbarkeit aus. Die Spannweite ist breit, aber selbst seine kleinformatigen, poetischen »Steamy Windows« – seine beschlagenen Fenster –, die der Ausstellung den Titel geben, wirken entschieden und präsent. Die Präsentation in der Galerie Johnssen startet mit großem Aplomb. Im Entrée tritt dem Besucher ein großformatiges, fotorealistisch gemaltes Frauenporträt entgegen, das raumhoch mit einer gemalten Holzvertäfelung eingefasst ist und von zwei ebenso großen, blutroten, abstrakten Gemälden flankiert wird. Dagegen wirkt der zweite Ausstellungsraum regelrecht verhalten: monumentale Pflanzenbilder mit üppig blühenden Rhododendren, dichtem Gesträuch mit glitzerndem

Raureif, strahlend gelben Forsythien, rosaweißer Kirsche im Spotlight eines nahenden Gewitters. Jedes dieser Gemälde hat in seiner Dichte, Präsenz und theatralischen Inszenierung eine Intensität, die raumfüllend sein kann. Die enge Hängung der Exponate in der Galerie wirkt überwältigend, doch liegt dies durchaus in der Absicht des Künstlers, der eine »unausweichliche Unmittelbarkeit« als Qualität von Malerei schätzt. Doch Thomas Jessen kann auch anders. Einfach schön in ihrer Poesie und künstlerischen Könnerschaft sind seine Durchsichten durchs Atelierfenster, die »Steamy Windows« – meditative Ansichten durch vergilbte Scheiben in den abendlichen Herbstgarten, ein paar zarte Zweige im Vordergrund. Was ist Malerei, was Fotografie, was Zeichnung? Thomas Jessen lässt uns im Ungewissen. Tatsächlich spielt die Auseinandersetzung mit dem Medium Fotografie für ihn von jeher eine große Rolle. Seine Arbeiten basieren auf Fotografien, er integriert Fotografien, die wiederum auch seine Malereien abbilden können, in seine collage- oder bühnenartig gebauten, oft mehrszenigen Gemälde. Sein malerischer Realismus ist irgendwo zwischen Caravaggio und Fotorealismus angesiedelt, wobei auch abstrakte Elemente und konstruktive Strukturen eingesetzt werden: Die bereits erwähnte hölzerne Wandvertäfelung, die das große Bildnis im Eingang umfängt und dem Film »Am Abend aller Tage« von Dominik Graf entlehnt ist, rahmt wiederum eine ganze Bildreihe mit im Verhältnis winzigen und zarten »Steamy Windows« ein.